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Kommentar: |
Rolf Riehm
Daß Orpheus eine anrührende Musik macht, versteht sich von selbst. Seine
Kunst erweicht Steine und läßt Bäume sich von ihrem Platz bewegen. Nicht
das verstört die Götter der Unterwelt. Man sollte vielmehr auf den Aspekt
hinweisen, daß diese Kunst in der Lage war, die Ordnung der Natur aus
den Angeln zu heben. Denn nach einer Phase der Einschüchterung und Anpassung
findet Orpheus im Musizieren zu sich selbst zurück und zwar in einer derart
radikalen Verantwortungslosigkeit, daß er in den Seelen der im Bewußtlosen
Dahindämmernden Kräfte des Wünschens wiedererweckt. Das ist Rebellion.
Für den lächerlichen Preis einer dem Leben Zurückgegebenen schafft ihn
Hades schleunigst wieder ans Tageslicht. ...fremder, ferner Orpheus: Schamane,
Zauberer, außerdem kam er aus Thrakien, dem Aus-Land schlechthin. Mänaden
töteten ihn. Tot singt er das LIED DER STEINE UND BÄUME: Wie ihm die Arme
abgerissen wurden... die Beine abgehackt wurden... der Kopf wird vom Rumpf
getrennt... und die Leber aus dem Leib geschnitten. Das alles sang Orpheus.
(1991)
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