Titel:

Tänze aus Frankfurt (1980)

 
  Besetzung: Orchester in vier Gruppen  
  Dauer: 35 Min  
  Uraufführung:

Frankfurt, Hessischer Rundfunk Großer Sendesaal, Weekend Neue Musik 27.3.1981
Radiosinfonieorchester Frankfurt
Leitung: Cristobal Halffter Aufnahme: Hessischer Rundfunk Frankfurt (Aufnahme der Aufführung am 18.9.1998, RSO Frankfurt, Leitung Lothar Zagrosek)

 
  Verlag: Ricordi, München  
  CD: hr-CD  
  Kommentar: Aus dem Programmheft der Uraufführung am 27. März 1981: Beschäftige mich mit Hanns Eisler, spiele im "Sogenannten Linksradikalen Blasorchester" mit: Anregungen von Heiner Goebbels. Die Aktivitäten dieser Gruppe geben der Forderung Eislers nach einer "nützlichen Funktion" der Musik einen praktischen Sinn. Wir spielen bei Massenveranstaltungen, auf der Straße bei Demonstrationen, bei politischen Aktionen zu aktuellen Ereignissen. Wir merken, daß viele unsere Musik "brauchen" können. Und ich merke, daß ich Musik auf eine neue Art zu gebrauchen lerne (schwer zu vermitteln): das Komponieren ist eine Form, Vorgänge zu begreifen, Probleme zu bewältigen. Ein Beispiel: Victor Jara, das war der "Sänger des neuen chilenischen Liedes". Als die Allende-Ära liquidiert wurde, wurde auch er ermordet. Chile war für viele hier in Deutschland ein Fanal, wir spielten Lieder und Stücke der Gruppe "Inti Illimani" (auch in den Tänzen aus Frankfurt klingen welche an). Ich schrieb KlageTrauerSehnsucht, für zwei Gitarren, "in Erinnerung an Victor Jara". Während der Komposition versuchte ich mir klar zu werden, welche Haltung das hervorbringt: eine politische Hoffnung zu begraben, also zu trauern.
Oder: wir spielten auf einer Veranstaltung zu Peter Paul Zahl, der damals in Isolationshaft saß. Wir sitzen nicht im Gefängnis. Was begreifen wir davon, wenn einer total überwacht alleine eingesperrt ist? Im Homesick-blues versuchte ich, uns davon "ein Bild zu machen" und zugleich zum Ausdruck zu bringen, daß diese Art von Justiz nicht unsere Sache ist.
Das Stück Tänze aus Frankfurt ist eine Art künstlerischer Auseinandersetzung mit einer deutschen Großstadt, eben dieser hier. Eher noch eine Bewältigung (und ein Resumée) der letzten Jahre, wie ich sie, in dem oben skizzierten Sinn, hier erlebt habe. Die "öffentlichen (und meist mit der Musik des Blasorchesters verbundenen) Erfahrungen haben sich in meiner persönlichen Geschichte sedimentiert. So verhält es sich auch mit der Musik, in der sich diese Erfahrungen musikalisch-sinnlich konzentriert hatten. Von dieser Musik mache ich in den Tänzen aus Frankfurt einen sehr persönlichen Gebrauch, füge auch dem Stückevokabular eine Menge neuer Elemente hinzu, z.B. Erinnerungen an langgewachsene Musik-Identitäten: ein Bach-Präludium breitet sich wie eine Vergessens-Lockung aus; es schieben sich über ein Weihnachtslied traumatische Regressionswünsche ein. Die Komposition hat sich fast über zwei Jahre hingezogen, ich habe Musik mitgezogen, die bei der Planung noch gar nicht existierte. Es ist so auch im Wortsinn eine historisch gewachsene, dahingehende Komposition. Die wenigsten von Ihnen werden einzelne Stücke erkennen, das ist auch nicht wichtig. Die Stücke, ich hoffe auch meine eigenen "Vokabeln", haben einen klaren Charakter, schon dank ihres tänzerischen Wesens, über den sich der Sinn/Ausdruck der Komposition herstellen sollte. Es erübrigt sich deshalb, Zitate namhaft zu machen.
 
       
   
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