Titel: | Schlaf, schlaf, John Donne, schlaf tief und quäl dich nicht (1997) | ||
Besetzung: | Violine, Baßklarinette, Akkordeon und Keyboard | ||
Dauer: | 21 Min. | ||
Uraufführung: | Wittener Tage für neue Kammermusik
26.4.1997 Ensemble Recherche Melise Mellinger, Violine, Uwe Möckel, Baßklarinette, Klaus Steffes-Holländer, Keyboard, Teodoro Anzellotti, Akkordeon |
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Verlag: | Ricordi, München | ||
Auftrag: | Westdeutscher Rundfunk Köln | ||
Aufnahme (Produktion): | Westdeutscher Rundfunk Köln (näheres über kontakt@rolf-riehm.de) | ||
CD: | Wittener Tage für neue Kammermusik 1997, live Dokumentation, Kulturforum Witten/WDR | ||
Kommentar: | Rolf Riehm Das Stück ist entstanden im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks für die Wittener Tage für neue Kammermusik 1997. Das Thema war „Musik – Sprache“. In der Vorbereitungsphase: Gänge durch Lektüren, Gespräche im WDR mit Harry Vogt, im „Freibeuter“ stoße ich auf einen Beitrag eines Ostberliner Autors. Er vertritt vehement eine Wiederbelebung von John Donne, den ich bis dahin nur dem Namen nach kannte. Er schreibt über John Donne, als wäre der eine Lupe auf die gegenwärtige Gefühlskarte. Andere Wiederbeleber sind erwähnt: T.S. Elliot, van Morrison, Francis Bacon. Auch Jossif Brodskij mit seiner „Großen Elegie für John Donne“ (1961). Eine Wahrnehmungsgemengelage. Die Bewegung in der Luft dieser Wahrnehmungen, das ist es, was ich mit diesem Stück spüren lassen will. John Donne predigt in seinem Todesjahr 1631: „Verzweiflung hinter mir, vorn Tod geballt/ Und innen Aufruhr, in mein Fleisch gekrallt“. Im Januar 1996 stirbt Brodskij. Die „Große Elegie“ ist bei mir eingedampft bis auf den Satz: „Schlaf, schlaf, John Donne, schlaf tief und quäl dich nicht“. Mehr an Text kommt nicht vor. Von dem Satz geht auch keine semantische Fokussierung aus. Es ist vielmehr eine Art Beleuchtung oder ein Widerschein, in dem ich mich aufhalte. Diese diffusen Lichtverhältnisse bringen die Konturen des ästhetischen Handelns in diesem Stück hervor. Sich in einer Umgebung von... bewegen. Die Sache sind nicht ästhetische Paradigmen, in denen Themen zu sich selbst finden; vor allem nicht Themen im Sinne einer kompositorischen Narration. Die Bewegung findet zunehmend da statt, wo die Zuweisungen durch die strukturellen Ausschilderungen nicht mehr eindeutig sind. Es sind die Überlagerungen von textlichen, zeitgeschichtlichen etc. Konfigurationen. Die unbestimmten Felder, in denen die Bestimmungen fester Konfigurationen sich verflüssigen. Sie vermischen sich mit denen anderer Konfigurationen, sodaß ich nicht mehr von Textbezug auf die „Elegie“ sprechen kann, obwohl er noch wirkt. Man kann hier nichts näher bezeichnen, es gibt keine „Linie“ u.ä. Es ist einfach so, daß einem dies alles eine zeitlang unterkommt. Und das ist stärker als eine vorsätzliche konzeptionelle Absicht. (1997) |
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Rezensionen: | Existentielle Erfahrung Wie man es auch dreht und wendet, das Werk des Frankfurter Komponisten
Rolf Riehm ist – wie unsere Gegenwart – nicht so recht auf
den Begriff zu bringen. Der postmoderne Philosoph Michel Foucault schrieb:
„Wir sind in der Epoche des Simultanen, des Nahen und Fernen, des
Nebeneinander, des Auseinander.“ Hört man dann aber ein Werk
von Riehm wie „Schlaf, schlaf, John Donne, schlaf tief und quäl
dich nicht“ (1997), merkt man, dass auch Foucaults Zustandsbeschreibung
des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts nicht mehr als eine Annäherung
an die Musik Riehms leisten kann. Also sitzen wir in der Konzertreihe
„Dialog“ des Staatstheaters Stuttgart im Forum Neues Musiktheater
und lassen unser Ohr schweifen über eine Musik, die sich zu einer
Skulptur zu formen scheint.
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