Titel:

Scheherazade (1990)

 
  Besetzung: Akkordeon  
  Dauer: 14 Min  
  Auftrag:

Group of Six

 
  Uraufführung: Witten, Städtischer Saalbau Festsaal, Wittener Tage für neue Kammermusik 1991
26.April 1991
Teodoro Anzellotti, Akkordeon
 
  Aufnahme: Westdeutscher Rundfunk Köln  
  Verlag: Ricordi, München  
  CD: The Contemporary Accordion Teodoro Anzellotti, Koch Schwann 3-6418-2  
  Kommentar:

Rolf Riehm
Scheherazade ist eine in der Reihe der Frauen, die ihr Leben dadurch retten können, daß sie den Sultan mit Erzählungen fesseln. Bisher hat er alle umgebracht.
Es gibt eine Version, wonach sie es der Phantasiehilfe ihrer Schwester zu verdanken hat, daß ihr der Stoff nicht ausgeht.
Aber sie droht der Ambiguität der Situation zu erliegen. Nicht daß sie vergessen hätte, wen sie vor sich hat. Doch sie kann nicht ihre Erzählkunst steigern und zugleich das Modell der Einverständlichkeit, nach dem dies funktioniert, zerstören. Je länger desto mehr macht sie sich den Sultan zum Komplizen. Unheilvoll vermengt sich das Bild dessen, der sie an der Gurgel packt, mit dem, der ihr an den Lippen hängt. Nicht der Sultan, sondern die Verstrickung in ihre Kunst bedroht sie daher. Wieder braucht sie die Hilfe der Schwester. Aber die Aufgabe ist nahezu unlösbar: Gefordert ist, die Sprachzeichen ihres superponierenden Eiogensinns, der sich als Netz über sie und den Sultan zu senken beginnt, zu berauben und diese wieder auf den Boden des bloßen semiotischen Austauschs zu stellen.
Entweder Scheherazade redet weiter, dann verliert sie ihre Autonomie an die Macht der Metazeichen oder sie wahrt die Differenz von Zeichen und Eigensinn, dann hat sie nichts mehr zu erzählen.
Sie verliert schier den Verstand. Ob das hilft?

(1991)


 
       
       
       
       
   
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