Titel: |
He, tres doulz roussignol joly (1978) |
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Besetzung: | Orchester | ||
Dauer: | 16 Min | ||
Uraufführung: | Saarbrücken, Funkhaus Halberg Großer Sendesaal 5.Oktober 1979 Radiosinfonieorchester Saarbrücken Leitung: Hans Zender | ||
Auftrag: | Saarländischer Rundfunk | ||
Aufnahme: | Saarländischer Rundfunk Saarbrücken (näheres über kontakt@rolf-riehm.de) | ||
Kommentar: | Rolf Riehm | ||
Diese ferne Zeit... Der Saarländische Rundfunk ging, auf Anregung seines damaligen Chefdirigenten
Hans Zender, ein Projekt an, Musik aus der Zeit vor Monteverdi –
also bevor sich so etwas wie eine symphonische Standardbesetzung anbahnte
– in den Konzertsaal zu holen und beauftragte einige Komponisten,
sich daran zu beteiligen. Mein Quellenstudium ergab allerdings, daß die Musikforschung zwar
die Codices der Haute Couture gesammelt und sorgfältig ediert hat
- aber der Fiedler zu Frankfurt hat offensichtlich nichts aufgeschrieben.
Er konnte nicht schreiben, das Pergament war zu teuer und vor allem: seine
Musik war flüchtig, wie er selbst. Die Spielleute sind in ihrer musikalischen
Existenz heute nicht mehr greifbar, sowenig sie es in ihrer materiellen
damals waren. Man kann sich von ihrer Musik ein Bild machen, die Instrumente
sind bekannt, die Tonarten, die Formen. Im Verhältnis zur Masse der
schriftlich fixierten Musik hat sie sich aber ziemlich vollständig
verdrückt. So stieß ich auf eine Publikation von Willi Apel, die unter anderem Kompositionen aus der Zeit um 1380 enthält, Stücke französischer Musiker bzw. solcher, die in Frankreich zeitweise oder ständig gearbeitet haben. Die großen Namen der Epoche sind Guillaume de Machaut, gestorben 1377 und Guillaume Dufay, knapp ein Jahrhundert später gestorben. Aber mich interessierten die Komponisten, die dazwischen lagen. An den Stücken der sogenannten Übergangszeiten kann man oft besser ablesen, was verlangt wurde und welche Kultur die Auftraggeber hatten. Die Stile der Zeit treten bei diesen Komponisten auch gelegentlich deutlicher hervor, weil sie Details gleichsam unabgelenkt durch einen überstarken Ausdruckswillen konsequenter weiterentwickeln. Im Vergleich zu den abgeklärten Werken wirkt das bizarr, aber was heißt das. Matheus de Perusio war ein Musiker dieser Art. Er ist als Sänger
an der Kathedrale von Mailand nachweisbar, muß aber davor, wie Apel
meint, in Avignon gewesen sein. Er war nicht der einzige Italiener, den
es an den päpstlichen Hof in Südfrankreich gezogen hat. Zu seiner
Zeit residierten dort nunmehr die Gegenpäpste, nachdem sich die römischen
Päpste als die rechtmäßigen hatten durchsetzen können.
Avignon war ein Sammelbecken internationaler Künstler. „Ein
glänzender Hof, der vornehmste in Europa.“ Der Gewährsmann
fährt fort: „Eine gewaltige Zahl an Kammerherren, Dienern,
Diplomaten, Gesandten und Botschaftern drängte sich im Palast, sie
beanspruchten Aufmerksamkeit und kämpften um die päpstliche
Gunst. Eine verschwenderische Überspanntheit beherrschte alles Denken“.
Dem päpstlichen Hof standen einige andere in Südfrankreich und
Spanien an Luxus kaum nach und der gönnerhaften Begünstigung
konnten sich hier wie dort alle Kunstsparten erfreuen. In der Musik bildete
sich ein „Manieristischer Stil“ aus, der sich von der Kunst
Machauts durch Verfeinerung, sozusagen durch geschmäcklerische Zuspitzung,
abhob. Ich stellte fünf Stücke zusammen, in denen diese Züge
durch den Kontrast von abstraktem Tonspiel und Bezug auf Naturklänge
hervortreten. In drei von ihnen hat sich die Materialbehandlung vollständig
von der Inanspruchnahme eines nachvollziehbaren Ausdrucksbedürfnisses
gelöst, die atemberaubende Dissonanzbehandlung und Rhythmik sind
nur noch für sich selbst da. Zwei Stücke zieren sich mit Klischees
naturverbundener Musizierpraxis wie: liedhafte Melodik, an Dudelsackklänge
erinnernde Begleitfiguren, und immer wieder die Kuckucksterz. Bei meiner
Arbeit halte ich mich strikt an die Originale, neue Töne füge
ich nicht hinzu, sieht man von Trillern oder gelegentlichen Umspielungen
ab; in die Polyphonie der Stimmen greife ich so gut wie nie ein. Neben dieser artifiziellen Abgehobenheit wollte ich noch etwas anderes
erreichen. Ich greife auf diese oder jene Technik zurück, um die
Originale in einem bestimmten Licht erscheinen zu lassen. Meine eigene
manieristische Haltung dient der Darstellung der Haltung jener Leute,
für die diese Musik gemacht wurde. Das ist ein theatralischer Aspekt
und ich möchte meine Arbeit daher nicht „Instrumentation“
nennen, sondern „instrumentale Inszenierung“. Ein Beispiel. Solostreicher lösen die Figur in pizzicato- und Springbogen-Tupfer
auf, die teils von unten, teils von oben die Originallage in Oktavsprüngen
anspringen, ein Englischhorn füllt diesen Oktavraum im staccato aus. Hörner mit grobem crescendo diese Töne hervor, polternd, rüde,
zwei hohe Kontrabässe schieben ebenfalls einen Ton vor sich her,
schon mit starker Geräuschbeimischung: zusammen ein dumpfes, geräuschhaftes
Getöse auf diesen beiden Tönen. Ein anderes Beispiel. stereotyper Kuckucksrufphrase: . Diese Phrase erscheint anfangs häufig, verliert sich im Laufe des Stückes, das liegt schon im Original.
Bei mir wird sie jeweils keck und munter vorgetragen. Sie erzeugt sogleich
eine Belebung im Tempo und in der Besetzung, diese hellt sich auf, wird
schlanker, dabei vielfältiger, so als habe sie ein erfrischender
Atem angeweht. Die Kraft der Naturerinnerung reicht jedoch nicht lange
hin, das Tempo läßt nach, die Besetzung wird voluminöser,
einförmiger, schwerfälliger, alle Instrumente treten allmählich
hinzu, halten die Musik am Boden. Virelai, eine muntere Tanzform, das
ist nichts für diese Stelzfüße, man ist müde geworden,
außerdem gibt es draußen so viele Stechmücken. (1979) |
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