Titel: Without Compression (1996)  
  Besetzung: drei Blockflöten  
  Dauer: 15 Min.  
  Uraufführung:

Art Point Trombacher Hof, Bad Münster am Stein
12.7.1997
Trio Diritto: Ines Rasbach, Jeremias Schwarzer, Martin Hublow, Blockflöten

 
  Verlag: Ricordi, München  
  CD: Without Compression - Neue Musik für Blockflöten, Trio Diritto, CYBELE 260.501  
  Aufnahme: Südwestfunk Baden-Baden  
  Kommentar:

Rolf Riehm
Die Tongebung spielt sich im wesentlichen im unterblasenen Bereich ab, im Bereich mit schwachem und schwächstem Luftdruck. Zur Natur dieser Klänge gehört es nicht nur, daß sie eben sehr leise sind, sondern daß sie auch mangels entsprechender Atemstütze keinen Kern haben, sie sind - von der herkömmlichen Wahrnehmung her gesehen - unstationär. Man könnte sagen: im Innersten unstet, flüchtig, brüchig, nicht fixierbar. Dieser Grundzug der Unbestimmbarkeit im Klanglichen lenkt die Aufmerksamkeit jedoch in die fragile Welt dieser Klänge hinein. Man wird gewahr, daß bei einem unverändert gehaltenen Griff, den man eine zeitlang auf der untersten Stufe des Atemdrucks anbläst, sich plötzlich ein Mikrokosmos von Rhythmen, Klangveränderungen, Unterbrechungen -auf unkontrollierbare Weise sich selbst steuernd - auftut. Dieser Welt der kleinsten Volumina gegenüber wirkt der "normale" Klang, er kommt nur ein paarmal gleichsam als dynamische Ausbeulung ins Überdimensionale vor, klobig, riesenhaft. Beim Komponieren ging es darum, die Eigentümlichkeit dieser Klangverläufe zu erkennen und sie behutsam in solche Konstellationen zu bringen, wo sich ihre Kontraste, ihre Ähnlichkeiten, kurz: ihre "semantischen Veranlagungen" gleichsam zu ausdrucksfähiger Musiksprachlichkeit würden entfalten können. Man sollte noch erwähnen, daß ohne Verstärkung ein solches Stück gar nicht realisierbar wäre. Der Naturklang ist schon in der ersten Reihe kaum noch zu hören. Allerdings teilt die Verstärkung dem Ganzen auch eine zweite Natur mit: die klanglichen Eigentümlichkeiten gewinnen paradoxerweise eine Selbstverständlichkeit, die sie von haus aus nicht haben.

(1996)

 
  Rezension: Der Wind, das unstete Kind
Rolf Riehm, der Frankfurter Komponist, suchte die flauto dolce in ihren Kammern auf und schrieb sein Werk without compression.Es ist, der Titel sagt es, ein Spiel mit dem Unterdruck. Bei zu geringem Blasdruck sackt der Ton weg, er kollabiert, verweht. So klingt der Wind, das unstete Kind. Mit mittlerem Druck geblasen, ist die Blockflöte das vogelähnlichste Instrument, ein Instrument des Waldes. In mancher Stunde schwirren, girren und flattern die Klanglinien, in finstrer Nacht kollern die tiefen Register, durchdringt Kauzschrei den stillen Raum. Aber durch die Instrumente spricht ja doch wieder der Mensch, da er sie mit seinem Atem und seinen Bewegungen betreibt. Sie imitieren seine Laute und ahmen die Regungen seiner Freuden und Leiden nach. Ein Spiel der Mimesis, die Seele wird zum Klang.
DIE ZEIT
 
       
       
       
       
       
       
   
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