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Uraufführung: |
Art Point Trombacher Hof, Bad Münster am Stein
12.7.1997
Trio Diritto: Ines Rasbach, Jeremias Schwarzer, Martin Hublow, Blockflöten
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Kommentar: |
Rolf Riehm
Die Tongebung spielt sich im wesentlichen im unterblasenen Bereich ab,
im Bereich mit schwachem und schwächstem Luftdruck. Zur Natur dieser Klänge
gehört es nicht nur, daß sie eben sehr leise sind, sondern daß sie auch
mangels entsprechender Atemstütze keinen Kern haben, sie sind - von der
herkömmlichen Wahrnehmung her gesehen - unstationär. Man könnte sagen:
im Innersten unstet, flüchtig, brüchig, nicht fixierbar. Dieser Grundzug
der Unbestimmbarkeit im Klanglichen lenkt die Aufmerksamkeit jedoch in
die fragile Welt dieser Klänge hinein. Man wird gewahr, daß bei einem
unverändert gehaltenen Griff, den man eine zeitlang auf der untersten
Stufe des Atemdrucks anbläst, sich plötzlich ein Mikrokosmos von Rhythmen,
Klangveränderungen, Unterbrechungen -auf unkontrollierbare Weise sich
selbst steuernd - auftut. Dieser Welt der kleinsten Volumina gegenüber
wirkt der "normale" Klang, er kommt nur ein paarmal gleichsam als dynamische
Ausbeulung ins Überdimensionale vor, klobig, riesenhaft. Beim Komponieren
ging es darum, die Eigentümlichkeit dieser Klangverläufe zu erkennen und
sie behutsam in solche Konstellationen zu bringen, wo sich ihre Kontraste,
ihre Ähnlichkeiten, kurz: ihre "semantischen Veranlagungen" gleichsam
zu ausdrucksfähiger Musiksprachlichkeit würden entfalten können. Man sollte
noch erwähnen, daß ohne Verstärkung ein solches Stück gar nicht realisierbar
wäre. Der Naturklang ist schon in der ersten Reihe kaum noch zu hören.
Allerdings teilt die Verstärkung dem Ganzen auch eine zweite Natur mit:
die klanglichen Eigentümlichkeiten gewinnen paradoxerweise eine Selbstverständlichkeit,
die sie von haus aus nicht haben.
(1996)
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Rezension: |
Der Wind, das unstete Kind
Rolf Riehm, der Frankfurter Komponist, suchte die flauto dolce in ihren Kammern auf und schrieb sein Werk without compression.Es ist, der Titel sagt es, ein Spiel mit dem Unterdruck. Bei zu geringem Blasdruck sackt der Ton weg, er kollabiert, verweht. So klingt der Wind, das unstete Kind. Mit mittlerem Druck geblasen, ist die Blockflöte das vogelähnlichste Instrument, ein Instrument des Waldes. In mancher Stunde schwirren, girren und flattern die Klanglinien, in finstrer Nacht kollern die tiefen Register, durchdringt Kauzschrei den stillen Raum.
Aber durch die Instrumente spricht ja doch wieder der Mensch, da er sie mit seinem Atem und seinen Bewegungen betreibt. Sie imitieren seine Laute und ahmen die Regungen seiner Freuden und Leiden nach. Ein Spiel der Mimesis, die Seele wird zum Klang.
DIE ZEIT
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